Dienstag, 29. Juli 2014

Jethro Tull - A Passion Play (An Extended Performance)


Band : Jethro Tull
Album : A Passion Play (An Extended Performance)
Spielzeit CD1 : 45:34 Min.
Spielzeit CD2 : 59:43 Min.
Veröffentlichung : 30.06.2014
Plattenfirma : Chrysalis
Homepage : www.jethrotull.com


Wertung : 8 von 10 

Trackliste CD1 "A Passion Play"

  1. Lifebeats / Prelude
  2. The Silver Cord
  3. Re-Assuring Tune
  4. Memory Bank
  5. Best Friends
  6. Critique Oblique
  7. Forest Dance #1
  8. The Story Of The Hare Who Lost His Spectacles
  9. Forest Dance #2
  10. The Foot Of Our Stairs
  11. Overseer Overture
  12. Flight From Lucifer
  13. 10:08 To Paddington
  14. Magus Perdé
  15. Epilogue

Die gute Nachricht vorweg: Mit der Neuauflage von Jethro Tulls A Passion Play kann Euch mal so rein gar nix passieren, von wegen verstörendem Inhalt oder so. Das 73er Werk hat mit Bravour die "FSK ab 6"- Freigabe erhalten ! 
Somit können sich auch endlich die Jüngsten unter uns, ohne Schaden zu nehmen, mit dem opulenten, von Steven Wilson remixten, 2CD/2DVD - Set beschäftigen...

Anhängern der Band werde ich wohl nicht viel Neues erzählen, wenn ich bekannte Fakten präsentiere. So sollte der Thick As A Brick Nachfolger aus finanziellen Gründen (die britischen Steuern...) eigentlich im französischen Château d'Hérouville aufgenommen werden, was jedoch in die Hose ging. Technische Probleme, eine Lebensmittelvergiftung und Heimweh einzelner Musiker bewegten Ian Anderson dazu, die Aufnahmen abzubrechen und fortan nur noch vom “Chateau d’Isaster” zu sprechen.
Die Band entschloss sich, 17 Tage vor dem Start der US-Tour (in der die Band das Album in Form eines Theaterstückes, in welchem sie selber mitspielen, aufführen sollte), die Platte in den Londoner Morgan Studios komplett neu einzuspielen. Das hörenswerte Ergebnis ist auf der ersten der beiden CDs enthalten und besteht, inklusive des Spoken-Word Beitrages The Story of the Hare Who Lost His Spectacles ursprünglich aus einem einzigen Song, welcher in vier LP-Seiten aufgeteilt wurde:  
  • Act 1 – Ronnie Pilgrim’s funeral – a winter’s morning in the cemetery
  • Act 2 – The Memory Bank – a small but comfortable theatre with a cinema-screen (the next morning)
  • Interlude – The Story of the Hare Who Lost His Spectacles
  • Act 3 – The business office of G. Oddie & Son (two days later)
  • Act 4 – Magus Perdé’s drawing room at midnight 
Thema der Geschichte ist die Beerdigung Ronnie Pilgrims, Auferstehung und Rückblick auf dessen Leben. Eine Pilgerreise durch Himmel und Hölle, moderne Passionsspiele sozusagen. Musikalisch umgesetzt wird das Ganze höchst interessant, aber sperrig. Vertrackte, instrumentale Passagen, Saxophon-, Orgel- und Schlagzeug-dominierte, jazzige Ansätze gehen immer wieder über in den Tull-typischen, von Ian Andersons Querflöte geprägten harten Folk-Rock. Ständige Stimmungswechsel zwingen den Hörer zu einer kontinuierlichen Aufmerksamkeit, auch die Aufarbeitung der verworrenen Geschichte um das Schicksal des Ronnie Pilgrim strengt an, macht die Platte aber extrem nachhaltig. Höhepunkt dieses Verwirrspiels ist die märchenhafte Erzählung The Story Of The Hare Who Lost His Spectacles (einer Geschichte eines Hasen, der seine Brille verliert bis er irgendwann merkt dass er ja eine Ersatzbrille dabei hat), die vom damaligen Bassisten Jeffrey Hammond-Hammond vorgetragen wurde. 



Welche Drogen da im Spiel waren, entzieht sich meiner Kenntnis, die Hasengeschichte lässt allerdings kaum einen anderen Schluss zu, als dass irgendein Verantwortlicher da in sehr fernen Welten schwebte. Darüberhinaus verliert sich die Band zeitweise in dem Bestreben, die Umsetzung des Konzepts auf die Länge eines Doppelalbums zu erstrecken. Was dem neutralen Hörer den schnellen Zugang zum Album verbaut, erfreut jedoch noch heute die Fans der Band. A Passion Play rangiert immerhin im oberen Bereich in der Gunst der Anhängerschaft. Musiker und Tontechniker Steven Wilson (Porcupine Tree) hat dem Album nun zu neuem Glanz verholfen und auch die Château d'Hérouville-Sessions klanglich aufpoliert.

Trackliste CD2 "The Château d'Hérouville Sessions" :
  1. The Big Top
  2. Scenario
  3. Audition
  4. Skating Away On The Thin Ice Of The New Day
  5. Sailor
  6. No Rehearsal
  7. Left Right
  8. Only Solitaire
  9. Critique Oblique (Part I)
  10. Critique Oblique (Part II)
  11. Animelee (1st Dance)
  12. Animelee (2nd Dance)
  13. Law Of The Bungle (Part I)
  14. Tiger Toon
  15. Law Of The Bungle (Part II)
Deutlich rauher und hörbar unfertig fällt die ursprüngliche Arbeit der Band zu diesem Projekt aus, man merkt den 15 Songs der zweiten CD halt an, dass die Bemühungen Jethro Tulls ab einem gewissen Punkt abgebrochen wurden, was das Hörvergnügen ein wenig schmälert. Dem Hörer dürfte allerdings einmal mehr klar sein, welch hochkarätige Ansammlung kreativer und begabter Musiker sich im Tull-Pool damals tummelten. Ian Anderson hätte sich noch so lange auf ein Bein stellen können...ohne Martin Barre (Gitarren), John Evan (Tasteninstrumente), Jeffrey Hammond-Hammond (Bass) und Barriemore Barlow (Schlagzeug) hätte er wohl wenig Land gesehen.
Auf den Chateau d'Hérouville-Sessions tummeln sich höchst unterschiedliche Songs und Stimmungen, insofern lässt sich durchaus die eine oder andere Parallele zum fertigen Passion Play-Werk ziehen. Schon der Einstieg in die Platte mit dem instrumentalen The Big Top und dem anschliessenden Scenario lädt nicht gerade zum entspannten Hören ein, sondern verlangt vom Hörer, der dann zum Ende des Songs feststellt, dass eben doch nicht viel passiert ist, etwas Geduld. Das eingängige und harmonische Skating Away On The Thin Ice Of The New Day macht das aber wieder gut und dürfte im Laufe der Jahre weit über den JT-Insiderkreis hinaus bekannt geworden sein. Audition, Skating..., Sailor und No Rehearsal bilden dann den anschmiegsamen Songblock der Sessions, um vom von Babygebrabbel eingeleiteten und Andersons in dem Fall ausnahmsweise nervenden Querflöte dominierten Left Right beendet zu werden.

Solitaire ist leider schon das letzte Highlight der zweiten CD, bevor die verschachtelten und sperrigen Critique Oblique Pt. I und II mit ihren minutenlange Improvisationen manchem Hörer erneut eine Portion Verständnis abverlangen. Älteren Prog-Liebhabern hingegen dürfte aber allein bei dem Gedanken, dass hier nicht wenig an Van Der Graaf Generator erinnert, das Wasser buchstäblich im Munde zusammenlaufen...

Law Of The Bungle Pt.1+2 inklusive dem von beiden Songs in die Zange genommenen Tiger und Ansätzen des darin enthaltenen Spoken Word-Beitrag "...The Hare..." beschliessen dann den Passion Play Prototyp und lassen manchen unvorbereiteten Hörer eventuell ewas ratlos zurück. 
Alles in allem jedoch sollte dieses Beiwerk mit gebührender Gelassenheit als etwas anderes Jethro Tull-Goodie betrachtet werden. Mit knapp 25,-€ darf man angesichts der Tatsache dass sich noch zwei DVDs mit verschiedenen Audiomixen der CDs, inklusive der visuellen Umsetzung des Häschenschmankerls, im Paket befinden, wirklich von Value for Money sprechen. 

Steven Wilson hat ganze Arbeit geleistet und den Aufnahmen zu ihrem wahren Glanz verholfen.


Bernd Fischer

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